150 Jahre – ein fotografischer Rückblick

Das 175-jährige Jubiläum der Fotografie, ausgehend von der Anerkennung der Daguerreotypie als fotografische Technik durch den französischen Staat im Jahr 1839, bildete den Impuls für eine umfangreiche Sichtung der fotografischen Sammlung des Stadtmuseums mit dem Ziel, unentdeckte, vergessene und andere rare Bildschätze zu erschließen. In einem aufwendigen Filterungsverfahren wurden Fotografien ausgesucht, die entweder einen hohen ästhetischen Wert oder ein besonders eindrückliches Motiv aufweisen.

Die für dieses Projekt ausgewählten Aufnahmen umspannen einen Zeitraum von 150 Jahren und spiegeln somit nahezu die gesamte Geschichte des Mediums Fotografie. Das älteste Bild wurde um 1848 aufgenommen, das jüngste entstand 2006. Die Motive sind Zeitzeugen auf unterschiedlichen Ebenen: Zum einen illustrieren die Bilder das Antlitz der Stadt Schleswig und ihrer Bürgerinnen und Bürger im Wandel der Jahre. Zum anderen dokumentieren die Bilder faszinierende fotografische Aufnahmetechniken aus der Ära der frühen Fotografie wie etwa das Verfahren des Salzpapierabzugs oder der Ambrotypie.

In idealer Weise verbindet der erste Ausstellungsabschnitt beide Aspekte: überwiegend unveröffentlichte historische Porträts in hoher Anmutungsqualität und exzellenter Aufnahmetechnik auf der Basis fotografischer Verfahren, die im heutigen digitalen Zeitalter fast vergessen sind. Die zweite Sektion dient als visuelle Ergänzung des ersten. Anhand von hochwertigen Porträts der Familie Gillis erschließen sich Status und Habitus dieser Schleswiger Unternehmerfamilie über drei Generationen. Im dritten Abschnitt stechen besonders die Motive eines Schleswiger Feldwebels hervor, in denen das Alltagsleben deutscher Soldaten an der Ostfront im Zweiten Weltkrieg in ungestellten Momentaufnahmen dokumentiert wird. Eine Vielzahl der Stadtansichten im vierten Bereich ist ambitionierten Schleswiger Amateurfotografen zu verdanken, die mit ihren Bildern einen wertvollen Beitrag zur Erinnerung an das „Schleswig von früher“ geschaffen haben. In den beiden anschließenden Sektionen wird das Thema Stadtansichten weitergeführt, u.a. mit dem „Jahrhundertereignis“ der Errichtung des Domturms und Aufnahmen aus dem extrem seltenen Brüggemann-Album Friedrich Brandts. Außerdem werden die Fischersiedlung Holm und der Stadtteil Friedrichsberg mit weitgehend unbekannten Aufnahmen vorgestellt. Eine Mischung aus Stadtansichten und bedeutenden Ereignissen bezeugt im weiteren Ausstellungsverlauf die Umtriebigkeit und den kreativen Blick von „Lokalmatadoren“ wie etwa Adolf Dohse.

Die Entdeckungsreise durch die mannigfaltigen Bildschätze des Stadtmuseums wird abgeschlossen mit Sammlungsbeispielen aus dem ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Denn nicht nur die historischen Motive, sondern auch die zeitgenössischen Fotografien, unter anderem von international bekannten Fotokünstlern, spiegeln das Alleinstellungsmerkmal des Stadtmuseums als „landesweites Kompetenzzentrum für Fotografie“ wider, wie es ein schleswig-holsteinischer Ministerpräsident einmal formulierte. Daran anknüpfend schrieb kürzlich ein Journalist in einem Bericht über eine Fotoausstellung des Stadtmuseums treffend: „Fotografie und Schleswig: eine lange Geschichte und eine spannende Zukunft“.

Als das Stadtmuseum Schleswig vor 25 Jahren begann, sich in seinem Ausstellungsprogramm mit fotografischen Themen zu positionieren, geschah dies mit dem Respekt vor der Tradition der Stadt Schleswig als frühe Hochburg der Fotografie in Schleswig-Holstein: Bereits 1842, drei Jahre nach der Erfindung der Fotografie, wurden in Schleswig Lichtbilder angefertigt.

In den folgenden Jahren kamen immer wieder umherziehende Fotografen in die Stadt, und es entstand ein regelrechter Markt für das neue Abbildungsverfahren. 1848 etablierte sich die Fotografie mit der Eröffnung eines ersten Ateliers durch den „Opticus“ Johann Friedrich Heß (1804–1858) endgültig in der Schleistadt. Als Schleswig 1868 zur Landeshauptstadt der neuen preußischen Provinz Schleswig-Holstein ernannt wurde, zog es weitere Fotografen an die Schlei, sicher auch in der Hoffnung auf zahlungskräftige Kundschaft aus den Reihen der Regierungsbediensteten und des preußischen Militärpersonals. So entstanden in Schleswig mehrere fotografische Studios, darunter jenes von Georg Johann Koch – ein florierender Betrieb, der um 1880 zu den Branchenführern in ganz Schleswig-Holstein zählte. Die bedeutendste fotografische Persönlichkeit dieser Zeit war Friedrich Brandt, der 1823 in Schleswig geboren wurde. Als Bildberichterstatter des Deutsch-Dänischen Krieges von 1864 wurde er weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Eines seiner Schlüsselbilder ist jene Aufnahme, die preußische Soldaten am 18. April 1864 auf den gerade eroberten Düppeler Schanzen in der Endphase des Deutsch-Dänischen Krieges zeigt.

Die Ausstellung wird durch zahlreiche historische Fotogeräte aus der Sammlung Bernd Renard ergänzt. Der Begleitband im Erfurter Sutton-Verlag trägt den Titel „Schleswig neu entdeckt – Schätze aus 150 Jahren Fotografie“ und ist zum Preis von 19,99 € im Museum sowie im Buchhandel erhältlich.